Jeder hat heute einen Account bei Spotify, oder? Für viele ist Musikstreaming zur Selbstverständlichkeit geworden. Doch es gibt sie noch, die Widerspenstigen, die sich nicht in die Cloud locken lassen. Die ihre Musik lieber lokal auf ihrem Rechner oder Smartphone speichern, Kontrolle über ihre Dateien behalten und keine Lust auf Werbung, Tracking und Abozwang haben. Ich gehöre dazu.

Auf meinem Android-Smartphone habe ich daher über die Jahre viele Open-Source-Musikplayer ausprobiert – mit mal mehr, mal weniger Erfolg. Mit Gramophone bin ich mal wieder bei einer App angekommen, die nicht nur optisch auf der Höhe der Zeit ist, sondern auch große Musiksammlungen schnell und zuverlässig verwaltet. Und das ganz ohne Schnickschnack, Tracker oder In-App-Käufe.

Modernes Design mit Material You

Was bei Gramophone als Erstes ins Auge fällt, ist das elegante Design. Die App orientiert sich vollständig an Googles aktuellem Material 3 Design, besser bekannt als „Material You“. Wer ein aktuelles Android 12 oder neuer nutzt, bekommt ein farblich perfekt angepasstes Interface – inklusive dynamischer Akzentfarben, die sich an euer gewähltes Hintergrundbild anpassen. Das gilt nicht nur für die App selbst, sondern auch für das App-Icon, das sich farblich nahtlos ins System integriert.

Unter der Haube setzt Gramophone nicht auf eine eigene Datenbank, sondern nutzt Androids MediaStore-API, um eure Musikbibliothek blitzschnell verfügbar zu machen. Das spart nicht nur Ressourcen, sondern ermöglicht auch einen flüssigen Zugriff auf große Sammlungen. Was mir weniger gut gefällt, ist die Filterung nach Interpreten. Gramophone verwendet hier den ID3-Tag „Interpret“ statt „Album-Interpret“. Die Folge: Wer seine Sammlung sauber getaggt hat, findet viele Künstler durch Duette oder Kollaborationen mehrfach in der Liste – etwa in der Form „Künstler1; Künstler2; Künstler3“.

Über die Volltextsuche lässt sich schnell nach Künstlern, Alben oder einzelnen Songs filtern. Besonders praktisch: In den Einstellungen kann festgelegt werden, wie Gramophone mit sehr kurzen Audiodateien umgeht. Standardmäßig blendet die App alle Dateien unter 60 Sekunden aus – etwa Klingeltöne oder Benachrichtigungssounds, sofern solche überhaupt noch verwendet werden. Dieser Filter lässt sich unter Drei-Punkte-Menü » Einstellungen » Verhalten auf 0 setzen, um alle Dateien anzuzeigen.

Falls Songs trotzdem fehlen sollten, schaut auch mal unter Ordner-Blacklist nach. Eventuell habt ihr bestimmte Verzeichnisse von der Suche ausgeschlossen. Manchmal hilft auch ein simpler Reboot des Handys, damit Androids Medienscan neue Dateien erkennt. Bei mir hat Gramophone jedoch neue Songs immer automatisch zur Sammlung hinzugefügt.

Lyrics-Support und Playlist-Funktion

Neben der schlichten Bedienung bietet Gramophone auch Lyrics-Support, sofern eure Musik mit synchronisierten Liedtexten getaggt ist. Die Anzeige erfolgt direkt im Player, sofern die Metadaten vorhanden sind.

Frage: So fleißig war ich in dieser Richtung bislang noch nicht. Kennt jemand von euch ein Tool, mit dem man eine größere Sammlung MP3s automatisiert mit solchen Lyrics ausstatten könnte? Ich bezweifle, dass das so einfach möglich ist, da hier mit Sicherheit Urheberrechte eine Rolle spielen.

Auch das Abspielen vorhandener Playlists funktioniert, allerdings aktuell nur im Read-only-Modus. Eigene Playlists lassen sich noch nicht direkt in der App erstellen. Laut Entwicklern könnte das aber in Zukunft kommen. Für mich aber eher kein Hemmschuh, da ich Apps wie Gramophone nur als Player sehe und nicht aktiv an Playlisten basteln möchte.

Was in meinen Augen allerdings noch dringend fehlt, ist der Support für Android Auto. Einen entsprechenden Bugreport gibt es bereits, allerdings fehlt dem Entwickler aktuell noch die Zeit, sich an diese Funktion heranzuwagen. Mit Android Auto wären die wichtigsten Anforderungen an einen modernen Musikplayer für Android meiner Meinung nach erfüllt.

Formate: Was funktioniert, was nicht?

Da Gramophone möglichst schlank gehalten ist, setzt die App auf die in Android integrierten Codecs. Das bedeutet: Die Unterstützung für exotischere Formate hängt stark vom Android-System und dem jeweiligen Gerät ab. Hier ein paar Faustregeln:

  • FLAC: Wird ab Android 8 unterstützt. 32-bit-FLAC-Dateien funktionieren erst ab Android 14.
  • ALAC: Funktioniert in den meisten Fällen nicht, da Android diesen Codec meist nicht unterstützt.
  • Dolby AC-3 / E-AC-3: Benötigt ein Gerät mit entsprechender Lizenz. Viele günstige Geräte unterstützen diese Formate nicht.
  • Opus: Wird erst ab Android 10 im MediaStore erkannt und erscheint entsprechend erst dann in der Bibliothek.

Wenn ein Song also nicht abgespielt wird oder völlig stumm bleibt, obwohl die Lautstärke passt – schaut euch das Format an.

Schlanke, schöne Musik-App

Gramophone gehört zu den wenigen Open-Source-Musikplayern, die die aktuellen Design-Richtlinien von Android konsequent umsetzen. Das Projekt wird aktiv auf GitHub gepflegt. Die letzte Version, Gramophone 1.0.16.1, erschien Anfang März und zeigt, dass hier kontinuierlich weiterentwickelt wird. Bugs und Ideen kann man ebenso via GitHub einreichen.

Die App steht unter der freien GPLv3 und lässt sich bequem über F-Droid, als APK-Datei direkt von GitHub oder (wer mag) auch über den Google Play Store installieren. Wenn ihr ein Android-Gerät nutzt, eure Musik lokal speichert und dabei auf Privatsphäre, Performance und Design Wert legt, solltet ihr Gramophone auf jeden Fall ausprobieren.

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5 Kommentare
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Steffen

Danke für den Tipp!

winni

Danke, muss ich mir mal anschauen. Habe auch schon mehrere Apps ausprobiert. Die kannte ich noch nicht.

Christian

hmm die Screenshots sind irgendwie von meinen Playlisten 😉 kommen mir auf jeden Fall sehr bekannt vor. wir sind auf jeden Fall kompatibel was die Musik angeht.

Thomas Meyer

Hallo, ich nutze schon länger Phongraph Plus aus dem F-Droid-Store. Ist auch im Material-Design, funktionsreich, anpassbar, und wird laufend aktualisiert. Sicher einen Versuch Wert.