Musik ist für mich ein Stück Zuhause. Egal, ob ich am Schreibtisch sitze, mit dem Rad unterwegs bin oder im Auto längere Strecken fahre. Statt meine Sammlung in die Hände von Spotify, Apple Music oder YouTube zu legen, betreibe ich meinen eigenen Musikserver mit Navidrome, einem leichtgewichtigen, quelloffenen, Subsonic-kompatiblen Server.

Auf dem Smartphone nutze ich je nach Laune die ambitioniert entwickelte und bis ins kleinste Detail konfigurierbare, dafür aber proprietäre App Symfonium oder die Open-Source-App Tempo. Beide integrieren sich via Android Auto in das Display geeigneter Fahrzeuge. Bei Tempo muss man allerdings wissen, wie. Denn als Open-Source-App steht Google als Gatekeeper im Weg.

Warum Navidrome?

Navidrome ist ein freier Musikserver, der über das Subsonic-Protokoll funktioniert. Er läuft ressourcenschonend (bei mir in einem Docker-Container) und kommt mit einem relativ modernen Web-Interface, einer umfangreichen API und Support für zahlreiche Clients für alle gängigen Betriebssysteme. Natürlich auch für Linux und Android. Der große Vorteil: Ich habe jederzeit und überall Zugriff auf meine eigene Musik, ohne dass ich Drittanbieter bezahlen oder Werbung konsumieren muss.

  • Läuft auf nahezu allem: Raspberry Pi, NAS, Server
  • Standardisierte Schnittstelle: Kompatibel zu vielen Subsonic-Clients
  • Unterstützt mehrere Benutzer: Praktisch, wenn ihr eure Sammlung mit Familie oder WG teilt
  • Transcoding: Wer mag, kann die Musik je nach Verbindung automatisch herunterrechnen lassen

Für mich ist Navidrome die ideale Lösung, weil ich meine Musik selbst tagge und verwalte, ohne dass eine Plattform mir „ähnliche Künstler“ aufdrängen oder meine Playlisten analysieren muss. Und ja, wir kommen ja alle mal in ein Alter, in dem man nicht mehr tagtäglich ein neues Album oder neue Künstler in der eigenen Musiksammlung willkommen heißt und sich daher ein Account bei Spotify und Co. auf jeden Fall lohnt. #leiderwahr

Navidrome im Browser: Die Weboberfläche des Musikservers hier unter Arch Linux in Firefox.
Navidrome im Browser: Die Weboberfläche des Musikservers hier unter Arch Linux in Firefox.

Tempo: Schlichter Client mit klarer Linie

Tempo ist eine native Android-App, die sich gezielt an Nutzer von Subsonic-kompatiblen Servern richtet. Playback lokal gespeicherter Musik gibt es beispielsweise nicht. Im Gegensatz zu überladenen Playern setzt Tempo auf Klarheit und Geschwindigkeit. Die App ist quelloffen, werbefrei und lässt sich unkompliziert via F-Droid oder GitHub installieren.

Ich, wie auch die Entwickler, empfehlen allerdings die Installation der GitHub-Version über die APK-Datei, da nur sie alle Funktionen beinhaltet. Zudem hinkt die F-Droid-Version schon seit einiger Zeit hinterher. Auf der GitHub-Seite steht daher auch: „Use the GitHub version of the app for full Android Auto and Chromecast support.“

Für Symfonium muss man hingegen nach einer kurzen Testphase eine lebenslang gültige Lizenz erwerben. Mit einer mindestens 7 Euro großen Spende kostet diese allerdings nicht die Welt. Zudem kümmert sich der Entwickler regelmäßig um seine App. Das Changelog der zuverlässig eintrudelnden Updates ist meist zu lang zum Lesen.

Funktionen

  • Übersichtliche Navigation nach Künstlern, Alben, Genres oder Jahrzehnten
  • Gapless Playback für nahtloses Hören (wichtig bei Live-Alben)
  • Playlist-Verwaltung direkt in der App
  • Unterstützung von Last.fm-Scrobbling
  • Chromecast-Integration
  • Android Auto-Support

Android Auto mit Tempo nutzen

Damit Tempo im Auto funktioniert, muss Android Auto nicht nur auf dem Smartphone installiert sein, sondern auch bestimmte Einstellungen freigegeben werden. Gerade bei Apps, die wie Tempo nicht über Googles Play Store kommen, ist das etwas versteckt.

Entwicklermodus für Android Auto aktivieren

Zuerst müsst ihr den Entwicklermodus von Android Auto aktivieren, damit Tempo als App auf dem Display im Auto erscheint. Geht dazu auf eurem Handy in die Android-Auto-Einstellungen:

  • Android 10 oder neuer: Einstellungen » Apps » Alle X Apps ansehen » Android Auto » Zusätzliche Einstellungen in der App
  • Android 9 oder älter: Direkt in der Android-Auto-App unter Menü » Einstellungen

Scrollt dort ganz nach unten und tippt zehnmal auf die Versionsnummer. Ähnliches kennt man ja vom Entwicklermodus von Android selbst. Danach erscheint die Frage, ob ihr die Entwickleroptionen aktivieren wollt. Bestätigt mit OK. Öffnet danach das Dreipunkt-Menü oben rechts und wählt dort Entwicklereinstellungen.

Aktiviert in diesem Dialog nun die Option Unbekannte Quellen. Damit erlaubt ihr auch alternativen Apps wie eben Tempo den Zugriff auf Android Auto. Auch ohne, dass die Entwickler eine offizielle Play-Store-Zertifizierung erworben haben, was für Open-Source-Projekte nicht ganz so einfach wäre.

Hinweis: Die Aktivierung müsst ihr nur einmal durchführen. Danach wird Tempo automatisch als Medien-App erkannt, sobald euer Smartphone per Kabel oder kabellos mit dem Auto verbunden ist.

Tempo auf dem Smartphone installieren

Da Tempo aktuell nicht im Google Play Store zu finden ist, installiert ihr die App manuell: Über F-Droid, andere Open-Source-Market-Clients wie Droid-ify oder direkt via GitHub-Releases. Achtet darauf, dass in den Android-Einstellungen die Installation aus unbekannten Quellen für den jeweiligen Browser oder Dateimanager erlaubt ist.

Hinweis: Wie oben bereits erwähnt, benötigt ihr die GitHub-Version (aktuell Tempo 3.9.0), wenn ihr Android Auto verwenden wollt. Mit Tempo 3.8.1 via F-Droid erscheint Tempo zwar auch unter den Android-Auto-Apps, beim Start erscheint allerdings nur ein leerer Bildschirm. Hier ist der entsprechende Bug dazu.

Nach dem ersten Start gebt ihr die URL eures Subsonic-Servers, Benutzernamen und Passwort an. Tempo verbindet sich dann direkt mit eurer Sammlung. Selbstverständlich unterstützt Tempo auch andere Server, die das Subsonic-Protokoll nutzen. Ich für meinen Teil habe die App zusammen mit meinem Navidrome-Server ausprobiert, was ohne Probleme funktioniert

Optional: Transcoding in Tempo aktivieren

Tempo unterstützt (wenn euer Server das erlaubt) auch Transcoding. Gerade im Auto kann es sinnvoll sein, FLACs oder hochauflösende Formate als MP3 mit 192 oder 256 kbit/s zu streamen. Das spart (zumindest bei mir) begrenztes Datenvolumen und läuft auch bei wackliger Verbindung stabil. Die entsprechenden Einstellungen findet ihr in den Settings von Tempo. In meinem Fall musste ich innerhalb von Navidrome das Transcoding nicht gesondert konfigurieren.

Mit Tempo auf dem Handy und im Auto

Mit Navidrome und Tempo gibt es eine komplett freie Lösung für die mobile Musiknutzung unter Android, inklusive Integration ins Auto via Android Auto. Man ist komplett unabhängig von Streamingdiensten, kann seine eigene Musik in hoher Qualität hören und umgeht vollständig Tracking, Werbung oder Abozwang.

Gerade wer seine Sammlung über Jahre gepflegt hat und Wert auf Datenschutz legt, findet hier eine schlanke, respektvolle Alternative zur Cloud. Und das Beste: Tempo macht auf dem Auto-Display eine richtig gute Figur: Schlicht, funktional und auf das Wesentliche reduziert.

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Erich

Wenn sich deine Musiksammlung nicht oft ändert, kannst du dann nicht einfach gleich die Dateien auf dem Handy speichern? Ich mache das schon allein wegen des unzuverlässigen Empfangs in manchen Gegenden.